1. Was ist der Unterschied zwischen akuten und chronischen Schmerzen und Schmerzerkrankungen?

Akute Schmerzen werden durch innere oder äußere Schädigungen im Körper, wie z.B. Verletzungen oder Entzündungen, ausgelöst. Sie haben eine wichtige Warn- und Schutzfunktion und klingen mit Ausheilen der Schädigung ab.
Chronische Schmerzen bestehen über einen längeren Zeitraum hinweg (bei Kindern und Jugendlichen mehr als 3 Monate).
Als chronische Schmerzerkrankung bezeichnet man Störungen im Schmerzverarbeitungssystem. Obwohl der ursprüngliche Auslöser nicht (mehr) bzw. nicht ausreichend vorhanden ist, bleiben langanhaltende und/oder wiederkehrende Schmerzen bestehen.

2. Welche chronischen Schmerzerkrankungen gibt es?

Es gibt „generalisierte“ Schmerzerkrankungen, das heißt solche, die große Teile des Körpers (Gelenke, Rücken, Bauch, Kopf) betreffen können und bei denen häufig weitere Symptome wie Schlafstörungen, Müdigkeit oder Konzentrationsstörungen hinzukommen. Sie führen für gewöhnlich zu einer deutlichen Alltagsbeeinträchtigung (Schule, Hobbies, soziale Kontakte,…) und bringen auch emotionale Probleme (Stress, Ängste, Stimmungsschwankungen oder –einbrüche) mit sich.  Ein Beispiel ist die „chronische Schmerzstörung in mehreren Körperregionen mit somatischen und psychischen Faktoren“.

Außerdem gibt es „lokalisierte“ oder „regionale“ Schmerzerkrankungen.
Ein Beispiel hierfür ist das „komplexe regionale Schmerzsyndrom (CRPS)“, bei dem es - oft (aber nicht immer) nach einer kleineren Verletzung -  zu massiven Schmerzen und sicht- und spürbaren Veränderungen (Schwellung, Kühle oder Wärme, Verfärbung, verändertes Haar- oder Nagelwachstum, Schmerzen bei Berührung, Gefühlsstörungen) im betroffenen Bereich kommt.

3. Wie entstehen chronische Schmerzerkrankungen?

Chronische Schmerzerkrankungen entstehen in der Regel nicht durch eine einzige Ursache, sondern durch ein ungünstiges Zusammenspiel vielfältiger Faktoren. Körperliche und psychische Schmerzerfahrungen tragen zur Entstehung und Aufrechterhaltung bei. Dazu gehören u.a. Dauer, Stärke, Bedeutsamkeit, Gedanken, Gefühle, Verhalten und körperliche Reaktionen. Belastende Lebensereignisse oder Lebensbedingungen können die Entstehung einer chronischen Schmerzerkrankung ebenfalls begünstigen.

4. Wie ist die Prognose chronischer Schmerzerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen?

Gut! Bei Schmerzerkrankungen handelt es sich um eine „Funktionsstörung“ im Schmerzsystem, die auch wieder behoben werden kann. Bei Kindern und Jugendlichen, deren Schmerzsystem noch in der Entwicklung ist, ist die Chance, die „Störung“ wieder zu beheben, meist deutlich besser als bei Erwachsenen.

5. Wie ist der typische Behandlungsverlauf chronischer Schmerzerkrankungen?

Leider gibt es keinen „Schalter“ (also kein Medikament oder eine einzelne Therapie) mit der man die Schmerzerkrankung einfach „abschalten“ kann. Aber mit Hilfe einer  „multimodalen Schmerztherapie“ (Zusammenspiel und Abstimmung mehrerer Therapien aus verschiedenen Bereichen) ist es möglich, die Funktionsstörung im Schmerzsystem wieder zu beheben. Erfahrungsgemäß benötigt dies etwas Zeit. Ob, wie schnell, wie gut und anhaltend das gelingt, hängt von vielen verschiedenen individuellen Faktoren ab (Dauer und Ausmaß der Beschwerden, weitere somatische oder psychische Erkrankungen, Persönlichkeit, äußere Umstände, Therapiemotivation…).

6. Sind die Schmerzen bei chronischen Schmerzerkrankungen echt?

Ja, die Schmerzen sind echt und nicht „eingebildet“!

Schmerzen werden empfunden, wenn schmerzverarbeitende Regionen im Gehirn  aktiv sind. Bei chronischen Schmerzerkrankungen  haben sich Schmerzimpulse verselbständigt und die Schmerzhemmung in Gehirn und Rückenmark ist vermindert.  Auch wenn der ursprüngliche Auslöser in Form einer Entzündung, Verletzung oder ähnlichem  nicht (mehr) bzw. nicht ausreichend vorhanden ist und bei Untersuchungen in dem schmerzhaften Bereich alles in Ordnung ist, bestehen Schmerzen.  

7. Wie werden chronische Schmerzerkrankungen behandelt?

Schmerzen betreffen immer den ganzen Menschen. Typische Reaktionen auf Schmerzen sind z.B. Schonverhalten, hohe Muskelanspannung, Stressreaktion (Alarm) des Körpers usw.. Insbesondere bei chronischen Schmerzen kann dies viele Folgeprobleme auslösen (verminderte Belastbarkeit und Muskelabbau, Überlastung anderer Strukturen, Verspannungen, noch mehr Stress, Schlafstörungen, schlechte Stimmung, Sorgen…).

In der Therapie von chronischen Schmerzen und Schmerzerkrankungen ist es deshalb wichtig, all diese Aspekte zu berücksichtigen. Dies geschieht im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie (Zusammenspiel und Abstimmung mehrerer Therapien aus verschiedenen Bereichen). Dabei müssen  individuelle Beschwerden und Umstände jedes einzelnen Patienten berücksichtigt werden. Entscheidend ist, dass sich der Patient nicht einfach „behandeln“ lässt, sondern aktiv mithilft, für ihn  geeignete Strategien und Maßnahmen zu finden, um  diese auch zu hause im Alltag selbständig anzuwenden und die Schmerzen nachhaltig zu beeinflussen.

8. Helfen Medikamente bei chronischen Schmerzerkrankungen?

Bei chronischen Schmerzerkrankungen helfen Medikamente meistens nicht / nicht mehr oder nicht nachhaltig.

9. Was kann ich als Betroffene(r) selbst gegen chronische Schmerzen tun?

Da verschiedene Faktoren zur Entstehung und Aufrechterhaltung chronischer Schmerzen beitragen, ist  der Behandlungsschwerpunkt bei jedem Kind/Jugendlichen anders gelagert.  Im Alltag sollte auf eine ausgewogene Balance zwischen Aktivierung und Erholung geachtet werden. Sowohl zu viel als auch zu wenig Aktivität  können sich ungünstig auf chronische Schmerzen auswirken.

Da Aufmerksamkeit, Gedanken, Gefühle, Verhalten und körperliche Reaktionen  chronische Schmerzen direkt beeinflussen, sind folgende Fragen hilfreich:

  • Aufmerksamkeit: Wie kann ich mich von den Schmerzen ablenken?
  • Gedanken: Welche Gedanken sind hilfreich?
  • Stimmung, Gefühle: Was bereitet mir Freude? / Wie kann ich mit Stress umgehen?
  • Verhalten: Welche Verhaltensweisen / Strategien helfen mir?
  • Körper: Wie kann ich belastbarer werden? Wie entspanne ich mich?

10. Was sollten wir als Eltern beachten?

Für Eltern ist zunächst wichtig, dass sie die Schmerzen ihres Kindes ernst nehmen. Sie sollten ihr Kind dabei unterstützen, einen möglichst normalen Alltag zu führen und altersentsprechende Selbständigkeit zu behalten / erlangen. Vermehrte Zuwendung aufgrund von Schmerzen sollte ebenso vermieden werden wie das Abnehmen lästiger Pflichten. Hilfreich ist, möglichst wenig nach Schmerzen zu fragen, da Fragen die  Aufmerksamkeit auf Schmerzen lenken und diese immer wieder verstärken.  

11. Wer kann mir bei chronischen Schmerzen weiterhelfen?

Wer chronische Schmerzen hat, sollte sich an ein interdisziplinäres (viele verschiedene Berufsgruppen) Schmerzteam wenden, um einen guten Einstieg in die Behandlung  zu finden. Bei starker Lebens- und Alltagsbeeinträchtigung durch die Schmerzen ist eine stationäre multimodale Schmerztherapie sinnvoll.